Bildungsforschung in Zeiten von Corona

Veröffentlicht von tekster am

Zur Einschätzung der derzeitigen Lehr- und Lernsituation an deutschen Schulen sind in den letzten Wochen eine Reihe von Befragungen durchgeführt worden, die sich sowohl an Eltern als auch an Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte von den Grundschulen bis zur gymnasialen Oberstufe richten. Sie bilden die empirische Grundlage für erste Hinweise zur Beantwortung der Frage, mit welchen Mitteln die Schulen den Unterricht trotz temporärer Schulschließungen fortsetzen und wie erfolgreich sie damit sind.

Schüler(innen)-Befragungen

Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II stehen im Mittelpunkt einer bundesweiten Schülerbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) während der Schulschließung. Die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, wie oft sie von ihrer Schule mit Lehrmaterialien versorgt wurden, wie viel Zeit sie an einem normalen Wochentag für Schulaufgaben aufwenden und ob sie sich Sorgen um ihre Schulleistungen und ihre berufliche Zukunft machen. Die Befunde der Befragung zeigen, dass die aufgewendete Zeit für Schulaufgaben häufig hinter den regulären Schulstunden zurückbleibt und selbst Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe Schwierigkeiten haben, ihren Lernalltag selbstständig zu organisieren. Hier geht es zur Befragung.

Auch der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest legt im Rahmen des Langzeitprojekts JIM-Studie, die das Medienverhalten der 12- bis 19-Jährigen seit 1998 untersucht, eine Corona-Zusatzuntersuchung zu „Lernen und Freizeit in der Corona-Krise“ vor. Die Schülerinnen und Schüler wurden – aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Alter – danach befragt, wie sie zur Zeit lernen, wer sie dabei unterstützt, welche medialen Lernangebote sie nutzen, welche Arbeitsgeräte für die Hausaufgaben zur Verfügung stehen, wie sie die „Schule zuhause“ in Schulnoten bewerten und wie sie ihre Freizeit gestalten. Insbesondere bei digitalen Bildungsanwendungen wie etwa Lernplattformen oder Schul-Clouds, sieht die Studie einen Nachholbedarf. Hier geht es zur Studie.

Das SIN – Studio im Netz befragte im März und April über 300 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 16 Jahren im Rahmen einer nicht repräsentativen Online-Umfrage über ihren Alltag während der Corona-Pandemie. Wie sind sie mit den Schulschließungen und Kontakteinschränkungen umgegangen? Sie wurden auch gefragt, wie sie es finden, keine Schule zu haben, wie sie die Zeit zu Hause empfinden, wie die Schule sie mit Lernmaterialen und Hausaufgaben versorgt, ob Kontakt zu den Lehrkräften besteht, wie sie mit der Fülle der Aufgaben klar kommen und wie sie mit ihren Klassenkamerad(inn)en in Kontakt bleiben? Hier geht es zur Zusammenfassung der Ergebnisse.

Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“, dem die Universität Hildesheim, die Goethe-Universität Frankfurt sowie die Universität Bielefeld angehören, hat in der bundesweiten Studie „JuCo“ über 5.000 Jugendliche über 15 Jahren zu ihren Erfahrungen und Perspektiven während der Corona-Pandemie befragt. Werden Jugendliche mit ihren Sorgen wahrgenommen und finden sie mit ihren Anliegen Gehör? Funktionieren die Beteiligungsformate für junge Menschen auch in der Corona-Pandemie? Erste Ergebnisse der Studie wurden nun am 14. Mai unter dem Titel „Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen“ in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Eine weitere Studie des Forschungsverbundes („KiCo“) untersucht die Erfahrungen von Eltern und Kindern in der Zeit der Corona-Pandemie.

Eltern-Befragungen

Die Arbeitsgruppe Forschungsmethoden/Empirische Bildungsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Münster untersucht im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie die besonderen Herausforderungen für Eltern durch die Betreuung und Lernbegleitung ihrer Kinder aufgrund der Corona-Pandemie. Mit der Online-Umfrage soll erhoben werden, wie Familien in NRW diese bisher einmalige Situation erleben und einschätzen. Ausgewählte Ergebnisse werden nach Abschluss der Befragung auf der Homepage der Arbeitsgruppe Forschungsmethoden und Empirische Bildungsforschung der Universität Münster veröffentlicht.

Das Institut für Bildung, Beruf und Medien, Fachbereich Erziehungswissenschaft der Otto-von- Guericke Universität Magdeburg hat die Studie „Eltern als Lernbegleiter – Homeschooling während der Coronakrise“ gestartet. Das Institut hat sich im Rahmen einer Online-Umfrage zwischen dem 25. März und dem 24. April an Eltern von Grundschüler(inne)n gewandt und sie gebeten, etwa 30 Fragen rund um das Thema Homeschooling und die Folgen der Schulschließung zu beantworten. Die Eltern wurden gefragt, wie die Grundschulen sie in der Phase der Schulschließung unterstützen, ob sie sich um die Schulleistungen ihrer Kinder sorgen und wie sie innerhalb der Familie die damit verbundenen Probleme und Belastungssituationen angegangen sind. Erste Ergebnisse der Umfrage sollen bereits im Mai vorliegen. Hier geht es zur Pressemitteilung der Universität.

Das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation untersucht im Rahmen einer psychologischen Studie, wie die Familien mit Kindern und Heranwachsenden im Alter von 6 bis 19 Jahren mit den Schulschließungen und Kontaktsperren umgehen. Die Studie mit dem Titel „Psychologische Anpassung an die Corona-Pandemie (PACO)“ besteht aus einem Eingangsfragebogen, einer optionalen Tagebuchstudie, die u. a. das Homeschooling und die Alltagsorganisation abfragt und einem abschließenden Fragebogen. Hier geht es zur Pressemitteilung des Instituts.

Die Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beschäftigt sich in ihrer Analyse mit der Frage, wie häusliches Lernen in Zeiten von Corona gelingen kann und welche Faktoren zum Erfolg beitragen. Die Analyse greift dazu auf die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zurück und untersucht die Aussagen von Eltern zu über 2.000 neun- und zehnjährigen Kindern, die zwischen 2015 und 2018 gesammelt wurden. Die Eltern wurden insbesondere zu den Schulleistungen ihrer Kinder, der Schulmotivation, der Unterstützung bei den Hausaufgaben und der häuslichen Lernumgebung befragt. Aus den Ergebnissen zieht die Analyse Rückschlüsse auf die Situation leistungsschwächerer Schüler(innen) und ihren Lernerfolg in der Phase der Schulschließung.

Die Vodafone Stiftung Deutschland hat im April eine Elternbefragung durchführen lassen mit über 1.000 Eltern schulpflichtiger Kinder im Alter von 5 bis 18 Jahren. Befragt wurden die Eltern danach, wie sie die psychischen und zeitlichen Belastungen während der Corona-Pandemie erleben, wie die Lernbegleitung zu Hause funktioniert, mit welchen Lernangeboten je nach Schulform ihre Kinder zu Hause beschäftigt sind und wie zufrieden sie damit sind, wie die Schule ihrer Kinder das schulische Arbeiten zu Hause organisiert. Die Ergebnisse der Befragung wurden mit dem Titel „Unter Druck. Die Situation von Eltern und ihren schulpflichtigen Kindern während der Schulschließungen“ veröffentlicht.

Die Fachgruppe „Lebenswelten und Lebenslagen von Kindern“ des Deutschen Jugendinstituts hat zwischen dem 22. April und dem 4. Mai über 8.000 Eltern von Kindern im Alter von 3 bis 15 Jahren online befragt, um herauszufinden, wie die Corona-Pandemie den Alltag von Familien und Kindern geprägt hat. Die Studie fragt auch danach, inwieweit der Kontakt zu pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften während der Kita- und Schulschließungen aufrechterhalten werden konnte und wer die Kinderbetreuung übernommen hat. Erste Ergebnisse liegen vor.

Das Ifo-Institut hat mit der Veröffentlichung seines Bildungsbarometers am 5. August 2020 eine repräsentative Online-Befragung von 1099 Eltern, die zwischen dem 3. Juni und dem 1. Juli 2020 für ihr jüngstes Schulkind Fragen zu Aktivitäten während der Corona-bedingten Schulschließungen beantwortet haben, vorgelegt. Die von Ludger Wößmann et al. durchgeführte Umfrage zeigt, wie viel Zeit die Schulkinder vor und während der Schulschließungen mit Schulbesuchen, Lernen für die Schule, Lesen, kreative Tätigkeiten, Bewegung, Fernsehen, Computer und Handy zugebracht haben. Dabei wurde nicht nur nach Familienhintergrund und schulischen Leistungen/Noten unterschieden, sondern auch gefragt, wie die Eltern die Zeit der Schulschließungen und die Aktivitäten der Schule einschätzen. Zum Schluss sollten die Eltern eine Reihe von schulpolitischen Maßnahmen während der Coronakrise bewerten und die Schulpolitik während der Coronakrise benoten. Die Studie ist unter dem Titel „Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaßnahmen befürworten die Deutschen?“ im ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 09 erschienen.

Lehrer(innen)-Befragungen

Für das „Deutsche Schulbarometer Spezial“ hat die Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT im April die repräsentativen Ergebnisse einer Lehrer(innen)-Befragung zum Fernunterricht in der Corona-Pandemie veröffentlicht. Die Lehrkräfte wurden danach befragt, wie sie ihre Arbeitsbelastung einschätzen, welche Herausforderungen sie durch die Schulschließung sehen, auf welchen Wegen die Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern läuft und welche Unterrichtsformate sie einsetzen. Ferner konnten sie sich dazu äußern, inwieweit sie durch die Schulschließungen Lernrückstände und eine Verstärkung der sozialen Ungleichheit befürchten. Abschließend konnten sie Erwartungen für die Zukunft bewerten. Hier geht es zu den Ergebnissen der Befragung.

Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland hat der Verband Bildung und Erziehung eine Umfrage unter Schulleitungen an allgemeinbildenden Schulen zur Berufszufriedenheit beauftragt, die im Januar und Februar 2020 durchgeführt wurde. Den Schulleitungen wurden u. a. Fragen zur Digitalisierung und zum Digitalpakt vorgelegt. Befragt wurden sie danach, ob in allen Klassen- und Fachräumen ihrer Schulen ein Zugang zu Breitband und WLAN besteht, ob es an ihren Schulen für alle Klassen Klassensätze an Tablet-PC oder Smartphones gibt, inwieweit die Lehrkräfte an Fortbildungen zum Einsatz digitaler Endgeräte im Unterricht teilgenommen haben oder sich informell weiterbilden. Weiterhin wurden die Schulleitungen gefragt, ob sie schon einmal Mittel aus dem Digitalpakt beantragt haben und wie gut sie sich informiert fühlen über den Mittelabruf aus dem Digitalpakt. Hier geht es zu den Ergebnissen der Befragung.

Die Vodafone Stiftung Deutschland hat im April eine Lehrkräfte-Befragung von 310 Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen durchführen lassen. Dabei wurden den Lehrkräften 13 Fragen gestellt, etwa ob ihre Schule während der Corona-Pandemie Konzepte für die schulische Arbeit entwickeln konnte, wie die Lehrkräfte den Informationsfluss und die Unterstützung durch die Schulbehörden und Ministerien einschätzen oder für wie relevant sie die persönlichen Kontakte und die Erreichbarkeit der Schüler(innen) halten? Die Ergebnisse der Befragung wurden unter dem Titel „Schule auf Distanz“ veröffentlicht.

Zielgruppenübergreifende Befragungen

Das Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökomie (IBB) der PH Zug und das World Education Leadership Symposium WELS haben im März und April 2020 eine zielgruppenübergreifende Befragung von 7.100 Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu COVID-19 und den Schulschließungen durchgeführt. Für den Schul-Barometer wurden Schülerinnen und Schüler, Eltern, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Erzieher, Vertreterinnen und Vertreter der Schulverwaltung und -aufsicht sowie Personen aus Unterstützungssystemen befragt. Gefragt wurde u. a. nach der häuslichen Lebenssituation von Schülerinnen und Schülern, der Belastungssituation von Eltern und Schule, der Rolle der Schulleitung, der Rolle, Motivation und Kompetenzen von Mitarbeitenden der Schule sowie Bedarfe, Bedürfnisse und Wünsche aus Sicht der befragten Zielgruppen. Das Schul-Barometer beschreibt die aktuelle Schulsituation in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus Sicht der verschiedenen Zielgruppen und möchte damit einen Beitrag zum Erfahrungsaustausch leisten. Die ersten Befunde der Befragung sind im Waxmann-Verlag unter dem Titel „Covid-19 – aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung“ kostenfrei unter einer CC-BY-NC-SA-Lizenz veröffentlicht worden.   

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